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Andreas Gross

Für eine Schweiz ohne Armee

Andreas Gross

Worum geht es?

Als Teil der während des Kalten Kriegs aufkommenden schweizerischen Friedensbewegung setzte sich Andreas Gross mit der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» (GSoA) für die Abschaffung der Schweizer Armee ein. Zwar wurde die entsprechende Volksinitiative 1989 abgelehnt, aber 35,6 Prozent der Stimmenden unterstützten das Vorhaben der GSoA. Wie äusserte sich der Bundesrat zu dieser aufsehenerregenden Forderung und wie wurde sie vom norwegischen Friedensforscher Johan Galtung – einer massgeblichen Autorität der internationalen Friedensbewegung – bewertet?

Quellen und Meinungen

Andreas Gross zur umfassenden Friedenspolitik - GSoA-Kongress, 1989

Zum Schluss im Sinne einer Zusammenfassung einige Thesen zur spezifischen Möglichkeit des Kleinstaates Schweiz, ohne Armee seinen friedenspolitischen Beitrag mit grösserer Erfolgschance leisten zu können als mit Armee:

Für Kleinstaaten erwies sich das Ziel, sich militärisch verteidigen zu können, schon seit langem als illusorisch. Kleinstaaten sind immer in erster Linie Opfer von Kriegen. Und da seit 1945 in Europa der nächste Krieg für lange Zeit der letzte wäre, haben Kleinstaaten die Möglichkeit, heute konsequent auf Frieden zu setzen. Ihr Ausbruch aus der militärischen ‹Logik› stört auch insofern wenig, als sie gerade ihrer Kleinheit wegen die militärischen Gleichgewichte der grösseren und mittleren Mächte nicht stören, von diesen am Schritt auf eine entmilitarisierte Friedenspolitik hin also nicht gehindert würden.

Dies stellt für die Kleinstaaten Europas eine besondere Herausforderung dar: Sie müssen so bescheiden sein, sich einzugestehen, dass sie die Gefahr eines europäischen Krieges nur mindern, aber nicht allein aus der Welt schaffen können. Gleichzeitig müssen sie unbescheidene Kraft zur Einsicht aufbringen, der künftigen europäischen Sicherheitspartnerschaft und Friedensordnung am konsequentesten dienen zu können, indem sie sich bemühen, eine nicht billigere, jedoch politisch anspruchsvollere, umfassende Friedenspolitik ohne Armee aufzubauen.

Unter allen Kleinstaaten wäre die Schweiz heute unseres Erachtens objektiv am ehesten in der Lage, diese Kraft aufzubringen. Niemand würde sie daran hindern, ihren Neutralitätsstatus dahingehend sanft zu renovieren. Als Geburtsort des Roten Kreuzes würde uns die Glaubwürdigkeit attestiert, die wir auf dem Weg zum Ziel einer Schweiz ohne Armee nötig haben. Wir könnten uns ohne Armee derart nützlich machen und solidarisch erweisen, so dass uns die dabei gefundene Anerkennung einen weit grösseren Schutz böte als heute die Armee.

Deshalb liegt die friedenspolitische Chance der Schweiz in der Abschaffung der Armee, und die Chance der Schweiz besteht darin, sich mit aktiver, umfassender Friedenspolitik in einer Art nützlich und solidarisch zu machen, wie es auch dem wohl verstandenen Interesse der Menschheit entspricht.

Kleinstaaten haben alles Interesse, dass es nicht zum Krieg kommt. […] Deshalb ist die Schweiz zwar kein Sonderfall, aber sie könnte zum Modellfall werden. Wenig Staaten sind geschichtlich, wirtschaftlich, politisch und sozial in einer so günstigen Situation. Nehmen wir sie also wahr. Je mehr andere Menschen auch entsprechend handeln, umso eher wird es uns gelingen.

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Quelle

Eine kleine Truppe für Friedenseinsätze

Andreas Gross war von 1991 bis 2015 Nationalrat (SP) und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. In dieser Funktion amtete er als Wahlbeobachter und Berichterstatter während zahlreichen Konflikten. Heute will er die Schweizer Armee nicht mehr abschaffen, sondern auf eine kleine Truppe reduzieren, die der UNO für ihre Friedenseinsätze zur Verfügung stehen soll.

Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative, 25. Mai 1988

Die Initiative ist zulässig und soll zur Volksabstimmung gebracht werden. Hinter der Radikalität ihrer Forderungen verbirgt sich aber ein fundamentaler Bruch mit unseren Traditionen und dem Staatsverständnis des Schweizervolkes. Der Verzicht auf ein Machtmittel in der Hand des Staates schüfe ein gefährliches Vakuum, das über kurz oder lang gefüllt zu werden droht. Weder die Aufrechterhaltung unserer Unabhängigkeit, noch die Integrität unseres Territoriums, noch der Schutz unserer Bevölkerung vor fremdem Angriff könnten gewährleistet werden.

Die Initiative missachtet alle Erfahrungen der Welt- und Schweizergeschichte. Der Utopie eines allgemeinen und wahren Weltfriedens kommt man nicht näher, wenn sich ein Volk wehrlos macht, das auf den Einsatz von Gewalt gegenüber anderen Staaten seit Jahrhunderten verzichtet hat. Im Gegenteil wird Frieden dort geschaffen, wo der rohen, unkontrollierten Gewalt die Stirne geboten werden kann.

Die Abschaffung der Armee ist mit den völkerrechtlichen Pflichten einer dauernden und bewaffneten Neutralität unvereinbar. Sie käme faktisch der Aufgabe der völkergewohnheitsrechtlich verankerten und völkervertragsrechtlich anerkannten Neutralität gleich. Das Verhältnis der Nachbarstaaten zur Schweiz könnte sich rasch und unliebsam verändern.

Als stärkster Pfeiler unserer Sicherheitspolitik hat die Existenz einer glaubwürdigen militärischen Landesverteidigung seit langer Zeit den Frieden in Unabhängigkeit bewahrt. Die Abschaffung der Armee würde die Sicherheit unseres Staates in unverantwortlicher Weise aufs Spiel setzen. Der Anspruch unserer Bürger auf ein Leben in Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit wäre nicht mehr zu gewährleisten. Es darf auch nicht darauf spekuliert werden, im Falle einer drohenden Aggression kurzfristig wieder eine funktionstüchtige Landesverteidigung aus dem Boden stampfen zu können. Der Aufbau einer glaubwürdigen Armee braucht viel Zeit.

Neue Bedrohungsformen setzen die Wirksamkeit der bewährten Abhaltestrategie nicht herab. Die Notwendigkeit, sich gegen ökologische Gefährdungen besser zu wappnen, schliesst auch künftig die Möglichkeit kriegerischer Verwicklungen keineswegs aus. Sogenannte alternative Verteidigungskonzepte vermögen auch nicht annähernd gleichviel Sicherheit zu schaffen wie die militärische Landesverteidigung.

Friedenspolitik war schon immer das erklärte Ziel unserer Aussenpolitik. Voraussetzung ist aber eine berechenbare Sicherheit, die ohne Armee nicht möglich wäre. […]

Eine umfassende Sicherheitspolitik, die unabdingbar von einer glaubwürdigen Armee abhängt, macht die freie Entfaltung von Individuum und Gesellschaft innerhalb des schützenden Staates erst möglich.

[…] Bereits hat die Initiative im Ausland für Aufsehen gesorgt und den mit den Eigenheiten unserer politischen Rechte wenig vertrauten Beobachter auf ein Nachlassen des traditionell hocheingeschätzten Wehrwillens der Schweiz schliessen lassen. Es ist zu hoffen, dass Volk und Stände die Initiative mit klarem Resultat ablehnen.

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Quelle
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Initiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht»

Im September 2013 wurde eine weitere GSoA-Initiative («Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht») von 73,2 Prozent der Stimmenden abgelehnt.

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