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Susi Noger

«Tina» im zivilen Widerstand

Susi Noger

Worum geht es?

Während des Kalten Kriegs, insbesondere nachdem der Ungarn-Aufstand gegen das kommunistische Regime im Herbst 1956 blutig niedergeschlagen worden war, machte sich die Angst vor einem Einfall sowjetischer Truppen ebenfalls in der Schweiz breit. Unter dem Decknamen «Tina» war Susi Noger eine von Hunderten unauffälligen Schweizer:innen, die – im Falle einer Besetzung – als Mitglieder der Geheimorganisation «P-26» den zivilen Widerstand gegen die Besatzungsmacht organisieren sollten. Wer wusste in der Schweiz von der Existenz dieser geheimen Einheit und warum wurde diese unvermittelt aufgelöst?

Quellen und Meinungen

Gliederung der P-26 in «Regionen des Widerstands»

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Organigramm der «Regionen»

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Aktivierung der P-26 im Ernstfall

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Artikel 426: «Widerstand im feindbesetzten Gebiet»

Im Sicherheitspolitischen Bericht des Bundesrates von 1973, der auch als «Konzeption der Gesamtverteidigung» bekannt ist, wird die P-26 indirekt erwähnt:

Eine Besetzung des Landes darf nicht das Erlöschen jeden Widerstandes bedeuten. Ein Gegner soll auch in diesem Fall nicht nur mit Ablehnung, sondern mit aktivem Widerstand rechnen müssen. Diese Gewissheit muss in seiner Gewinn- und Verlustrechnung ein für uns positives Element sein.

Der bewaffnete Widerstand gegen die Besetzungsmacht wird sich an die durch das Kriegsvölkerrecht gezogenen Schranken hinsichtlich der Teilnahme und der Bedingungen der Gewaltanwendung halten müssen. Er kann nicht in demselben Ausmasse zum voraus organisiert werden wie die militärische oder die zivile Verteidigung. Aber alle Möglichkeiten, günstige Voraussetzungen für den aktiven Widerstand zu schaffen, müssen früh wahrgenommen werden.

Auch der gewaltlose Widerstand der Bevölkerung hat einen hohen moralischen Wert. Als Elemente der Selbstbehauptung gehören beide Arten des Widerstandes gegen die Besetzungsmacht zur schweizerischen Strategie, da ihr Ziel, die Befreiung und Wiederherstellung einer freiheitlichen, unabhängigen staatlichen Gemeinschaft, der allgemeinen strategischen Zielsetzung entspricht. Hingegen können sie niemals Ersatz für eine starke Verteidigungsbereitschaft sein; ihre Dissuasionswirkung ist dafür zu gering, weil sie erst nach einer Besetzung wirksam werden können.

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Quelle

«Schlussbetrachtung» aus der wissenschaftlichen Arbeit von Titus Meier über die P-26, 2018

Die PUK EMD kritisierte 1990 das Fehlen einer expliziten gesetzlichen Grundlage und stellte fest, dass die ‹Konzeption der Gesamtverteidigung› [Bericht des Bundesrates von 1973] keinen Rechtssatz darstelle. Diese Feststellung ist zutreffend. Die PUK begründete die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage massgeblich damit, dass eine Staatsaufgabe an eine ausserhalb der Verwaltung und der Armee stehende, mit Waffen und Sprengstoff ausgerüstete Organisation übertragen worden sei, die Zustimmung des Gesetzgebers notwendig gewesen wäre. Wie vorliegende Arbeit zeigte, besass das Projekt 26 keinen militärischen Kampfauftrag. Die Vorbereitungen waren stets Teil der Gruppe Generalstabsdienste und kein Mitglied der Organisation verfügte über Waffen oder Sprengstoff. Damit relativiert sich die Notwendigkeit einer expliziten gesetzlichen Grundlage und erklärt, weshalb die Verantwortlichen davon ausgingen, dass die Verfassung als rechtliche Grundlage und die ‹Konzeption der Gesamtverteidigung› als verwaltungsinterne Weisung des Bundesrates genügten. Allerdings ist damit das Problem der schwachen politischen Legitimation noch nicht gelöst.

So wie die Widerstandsvorbereitungen für den Besetzungsfall ein Kind der Bedrohungsperzeption des Kalten Kriegs waren, so war der Bericht der PUK EMD ein Kind der politischen Umbruchphase.

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«Gesamtwürdigung» der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK EMD), 1990

Die PUK EMD bringt durchaus Verständnis dafür auf, dass Vorbereitungen für den Widerstand getroffen wurden, ohne sich damit zur grundsätzlichen Zweckmässigkeit aussprechen zu wollen. Die Vorbereitung des Widerstandes unterliegt jedoch rechtlichen Voraussetzungen, die beachtet werden müssen.

Die Beanstandungen der PUK EMD beziehen sich nicht auf die Mitglieder der Organisation P-26, sondern auf deren Urheber und auf die politisch Verantwortlichen. Diese liessen das gerade in Fragen der Geheimhaltung besonders notwendige Differenzierungsvermögen vermissen und überschritten in ihrer Sorge um die Geheimhaltung das Mass des unbedingt Notwendigen. So unterwarfen sie die gesamte Organisation, selbst deren Existenz, der striktesten Geheimhaltung. Auf diese Weise versäumten sie es, für die Aufgabe der Organisation die erforderliche gesetzliche Grundlage zu schaffen, und verunmöglichten dem Parlament die Ausübung seiner verfassungsmässigen Aufsichtspflichten, namentlich der Finanzaufsicht.

Die PUK EMD […] hat, nachdem die Verantwortlichkeiten dargestellt und der Mangel der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeiten der Organisation P-26 festgestellt worden sind, eine Massnahme vorzuschlagen: Der Bundesrat hat den gesetzlichen Zustand im Bereiche der Vorbereitung des Widerstandes im feindbesetzten Gebiet wiederherzustellen. Das bedeutet zunächst und ohne Präjudiz für künftige Beschlüsse, dass der Bundesrat alle Aktivitäten der Organisation bis zur Entscheidung über die Widerstandsvorbereitungen einzustellen hat; namentlich sind Rekrutierung und Ausbildung zu sistieren, das Material, die Waffen und die Munition der Verfügungsgewalt der Organisation zu entziehen und die Anlagen zu schliessen. Der Vollzug dieser Massnahmen ist sicherzustellen. Der Bundesrat soll noch während der laufenden Legislaturperiode den Entscheid fällen, ob er die Tätigkeiten der Organisation P-26 wieder aufnehmen oder einstellen will. Im ersten Fall soll er dem Parlament die gesetzlichen Grundlagen hierfür bis zur Herbstsession 1991 vorlegen; im anderen Fall soll er dem Parlament innert gleicher Frist über den Vollzug der Auflösung der Organisation P-26 Rechenschaft ablegen […].

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